Heidelberg Kirchheim im Pech – S-Siege für Hasi Dreher und Carolyn Wittenborn

Bericht aus dem Reiterjournal vom März 2013

Wer aus so viel Pech das Beste machen kann, muss am Ende ein glücklicher Mensch sein. Das diesjährige – traditionell frühe – Reitturnier im Heidelberger Stadtteil Kirchheim fing schlecht an und hörte noch schlechter auf. Dennoch: Das rührige Team um Vorstand Wolfgang Kocher und Turnierleiter Rolf Müller konnte am Sonntagabend stolz auf die Leistungen sein. Auf die eigenen und auf jene der Reiterinnen und Reiter.

Um es schonungslos zu sagen: Das Dressurwochenende fing mit einer Panne an. Durch einen Computerfehler schaltete sich ausgerechnet nachts vor der ersten Prüfung ein Strang der Beregnungsanlage an. Am nächsten Morgen gab es einen Längsstreifen Matsch im Geläuf. Aber wie gut, dass sich die Reiter in Nordbaden kennen. In Mannheim gibt es einen patenten Gartenbau‑Unternehmer. Er heißt Peter Weidner, ist selbst Reiter und mittlerweile spezialisiert auf Reitböden. Er rückte nach dem ersten Schreck sofort mit schwerem Gerät an und reparierte den Hallenboden. Schon mittags konnte der Sport wieder regulär ablaufen.

Die richtige Entscheidung
Dann kam die Ruhe vor dem Sturm. Die hielt aber nicht lange, denn am zweiten Sonntag der Kirchheimer Turniertage tobte das Sturmtief Xynthia (nicht nur) über Heidelberg und rüttelte so heftig am Abreitezelt, dass eine vernünftige Vorbereitung der Pferde nicht möglich gewesen wäre. Mehr noch: Es hätte sogar gefährlich werden können. Die Kirchheimer besprachen sich mit den Reitern und taten das einzig Richtige: Sie brachen das Turnier vor dem Großen Preis ab. Wichtigstes Fazit: Niemand ist zu Schaden gekommen. Und das alleine beweist, dass die Kirchheimer Reaktion die richtige war.

Jedenfalls, das Turnier 2010 werden die Macher des wohl pferdeaktivsten Heidelberger Stadtteils so schnell nicht vergessen. Nicht nur wegen Xynthia. Überhaupt war die Veranstaltung außergewöhnlich und sportlich wohl das beste Turnier seit Langem. Die süddeutsche Spitze war vertreten und zeigte sich in guter Form. Erfolgreichster Reiter war der junge Tobias Meyer, der nach einer sehr wechselhaften Laufbahn in den letzten Jahren nun doch im Augsburger Handelsstall Puschak sesshaft geworden ist. 2008 wurde er Deutscher Meister der Jungen Reiter und ist das, was man einen „starken Jockey“ nennt. Besonders schön reitet er nicht, wenn man nach den gängigen Kriterien stilistischen Reitens misst. Aber ziemlich effektiv. Im zweiten Kircheimer S‑Springen schaffte er einen Doppelsieg und wurde im ersten „S“ hinter dem wiederum bärenstarken Hans‑Dieter Dreher und L.B. Porter Zweiter.
Mit starken Leistungen machte der Baden‑Badener Amateur Ferdinand Hurrle von sich reden; er wurde auf Phyrnee Dritter im wichtigsten S‑Springen und hinterließ einen glänzenden Eindruck – auch auf anderen Pferden in anderen Prüfungen. Seit zwei Jahren verfolgt der Unternehmer und Reitstallbesitzer ein Erfolgskonzept. Er beschäftigt einen routinierten Berufsreiter, Manfred Götze, der für die Ausbildung und das Training zuständig ist. Götze bildet mittlerweile auf Hurrles Anlage in Baden‑Baden sogar Lehrlinge aus, etwa den ehemaligen Pony‑Champion Maximilian Wurster. Es gibt im Land leider nur wenige solche Symbiosen zwischen Top‑Profis und ambitionierten Amateuren. Dabei ist es ein Erfolgsmodell.

Michael Jung – in allen Sätteln immer sehenswert – belegte auf FBW Evita von Exodus den vierten Platz vor der schwäbisch‑bayerischen Grenzgängerin Stefanie Paul auf Piccola. Auf Platz sechs und überhaupt gut unterwegs zum Saisonauftakt ist der Bad Rappenauer Altmeister Karl‑Heinz Schwab. In Kirchheim ritt er mit Rossini und Baldini ins Geld.

Wenig Einigkeit am Richtertisch
Eine Woche zuvor hatte Nordbaden‑Meisterin Carolyn Wittenborn auf Mozart souverän die einzige Kirchheimer S‑Dressur gewonnen. Das war reiterlich‑handwerklich nahezu perfekt. Auf Rang vier pirschte sich der junge Leif Hamberger, Schüler von Holga Finken und Bereiter am Stall von Staff‑Reitzenstein, auf Twenty Four langsam, aber sicher an die Landesspitze heran. Schade, dass die Qualität der Richterleistungen nicht ohne Fehl und Tadel war. Die Platzziffern erinnerten an die Lottozahlen. So kam es, dass ein herausragendes Nachwuchspferd, der Württemberger Graziano aus dem Stall von Susanne und Holger Zeiske, leider zu schlecht wegkam. Aber die Zukunft spricht für diesen bewegungsstarken Schimmel.

rok

„XINTHIA“ siegt im Großen Preis (PDF Download)